Wie #Storck seinen Kunden die Hoffnung auf ein Leben in Harmonie nimmt #Merci #CaféMerci # …

Unglaublich. Mein kleines Lieblingscafé steht heute im Rampenlicht der Wirtschaftspresse (Handelsblatt). Es geht um Markenrechte und Markengeschichten – und am Ende darum, dass eine Marke ihren Kern verraten kann, obwohl das Recht auf ihrer Seite steht.


Aber beginnen wir von vorn. In meinem Dorf gibt es seit Jahren ein Café mit dem Namen Café Merci. Es ist das einzige echte Café im Ort und besitzt drei weitere Filialen in umliegenden Taunus-Städtchen. Ob Sonntagskuchen oder Geschäftsessen, das Café erfreut sich dank seiner hervorragenden Patisserie großer Beliebtheit unter den lokalen Einwohnern.

Dass ausgerechnet dieses gemütliche Café nun im Mittelpunkt eines heftigen Markenkonflikts steht, ist überraschend. Aber das Unternehmen Storck hat mit seiner Marke „Merci“ seine Markenrechte gegenüber dem Café geltend gemacht. Nun und erst nach mehreren Instanzen hat Stork den juristischen Konflikt im Vergleich für sich entschieden. Das kleine Café muss seinen Namen wegen Gefahr der Markenverwässerung ändern: auf dem Geschirr, aussen wie innen im Laden, im Web, überall. Auf weitere Ansprüche verzichtet der Konzern. Der Aufwand wird von der Café-Besitzerin dennoch mit €250.000,- beziffert. Dafür muss der Bäcker viele Brötchen backen.

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„Richter oder Marke Gnadenlos?“

Es war für Storck schwer vorauszusagen, ob es bei den vier Café-Filialen bleiben würde. Könnte sich das Café Merci in 10 Jahren vielleicht sogar zu einem bundesweites Wettbewerb als Franchisegeschäft entwickeln? Zu diesem Punkt gab es im Laufe der Verhandlungen Vergleichsangebote der Konditorin, z. B. auf den Verkauf der Pralinen- oder Schokoladenprodukte zu verzichten oder auch durch einen Namenszusatz, wie „Café Merci im Taunus“, die regional begrenzte Präsenz des Betriebes zu dokumentieren. Für Stork blieb das aber trotzdem ein nicht kalkulierbares Geschäftsrisiko.

Die Richter haben dem Bedenken in letzter Instanz stattgegeben: Wehre den Anfängen. Markenrechte sind da, um sie einzuhalten. In der Tat ist am Urteil der Richter rechtlich schwer etwas zu kritteln. Die Menschen hätten aber anders entschieden. Sie geben jetzt dabei weniger den Richtern als vielmehr dem hartnäckigen, über mehrere Instanzen gehenden Unternehmen die Schuld, das auf seinem Recht besteht und damit aus ihrer Sicht eine kleine Existenz bedroht.

In dieser Situation steht die Glaubwürdigkeit der Marke Merci auf dem Spiel.

Der Advokat für ein Leben in Harmonie tritt herzlos auf

Der beginnende Shitstorm auf der Facebookseite von Merci spricht eine klare Sprache. Seit Jahrzehnten erzählt Merci bildreiche, schöne Werbegeschichten über Harmonie, Miteinander und Dankbarkeit. Geschichten, die die Menschen samt Marke sogar in ihre eigenen Dankbarkeitsrituale übernommen haben – mehr Vertrauen für eine Marke geht nicht. Und jetzt das.

In einer Geschichte aus dem echten Leben – mit einem Plot vor Gericht – erscheint das vertraute Merci plötzlich in einem anderen Licht – kaltblütig. Ausgerechnet der große Advokat der Harmonie tritt herzlos auf. Die damit einhergehende Enttäuschung der Hoffnung auf ein harmonisches Leben mit Merci lässt Menschen fremdeln. Mehr noch vielleicht: Sie fühlen sich von ihrer Marke verraten und betrogen, die das Recht am Wort Danke allein für sich beansprucht. Es ist ein wahrgenommener Bruch in der Markenwahrnehmung.

Facebook Reaktion Merci

Menschen lieben David.

Diese Geschichte, die sich über mehrere Instanzen und Jahre hinzog und nun von Medien (Stern: „Merci verbietet Café seinen Namen“) und Blogs erzählt wird, entspricht einer der ältesten Story-Archetypen der Welt: David gegen Goliath. Sie ist spannender als Werbespots voller Heiler-Welt-Vignetten. Die Sympathie des Publikums im Kampf gegen den Goliath gewinnt auch hier der Kleinere. Und das kann Merci Kunden kosten. Wer überreicht sein kleines Dankeschön schon gern mit dem Label eines gnadenlosen Profitgeiers? Nun muss Storck beweisen, das Merci mehr ist als nur ein schönes Werbeversprechen.

Merci, dass es mich Euch gibt 

Was kann Stork nun tun? Der Shitstorm 2009 gegen die Markenverantwortlichen bei Jack Wolfskin, die ihre Markenrechte gegen eine Stickerin von Wolfspfoten scheinbar genauso gnadenlos durchsetzten, hatte eine ähnliche Ursache und zeigt: Ohne Gespräche mit enttäuschten Kunden wird der Hersteller einem Shitstorm kaum Einhalt gebieten können.

Denn mit der Einführung des Internets wurden Märkte zu Gesprächen, wie es das Cluetrain Manifest beschreibt. Und diese Gespräche zwischen den sich gerade gegen Merci vernetztenden Menschen klingen menschlich, sie werden in einer menschlichen Stimme geführt.

Jede juristische Rechtfertigung seitens des Unternehmens Storcks dagegen klingt in den Ohren der angesprochenen enttäuschten Menschen nur höhnisch, flach und läßt die Marke Merci unmenschlich erscheinen.

Aktualisierung 30.1.: Leider kam es wie vorhergesagt. Merci reagiert mit Verzögerung und klingt trotz vertraulichem Du alles andere als menschlich: „Wir verstehen, dass viele uns als groß empfinden, die Sympathien den vier kleinen Cafés Merci und ihrer Inhaberin gehören und viele Emotionen hochkochen. Lasst uns trotzdem einen Blick auf die Fakten werfen:…“ (Zitat Facebookseite Merci)  Vor Gericht mag diese Tonalität Gehör finden, sie muss es sogar, will eine Marke ihre Rechte beanspruchen und verteidigen. So will es das Markenrecht. Im echten Leben eben nicht. Und die Facebook-Timeline wird zwangsweise zum tragischerweise Offenbarungseid der Markewerte: Miteinander und Teilen sieht eben anders aus.

Facebbookseite merci

Auf die vielen empörten Kommentare und Reaktionen auf die Rechtfertigung wiederum schweigt Storck. 

In einer Epoche der Krisen erwarten Menschen von Marken wie Merci einmal mehr, dass sie für ihre eigenen Markenwerte wahrhaftig einstehen und ihre stärkere Position nutzen, um die Welt in diesem Sinne ein wenig besser zu machen, statt ihre eigenen Rechte zu verfechten.

Wie „Phoenix aus der Asche“

Und das Café Merci? Die Besitzerin schreibt bereits an einer neuen Geschichte. Sie steht wieder auf, „nachdem sich der Staub dieses Erdbebens abgesenkt hat“. Sie ruft in ihrem Anschreiben voller Metaphern ihre Kunden bereits zu einem gemeinsamen Neuanfang auf – ohne den „kräfteraubenden Goliath“. Den Plot ihrer  „Heldenreise“ wird die Kundschaft lieben und unterstützen. Sie kann damit selbst Teil der Geschichte einer Unternehmerin werden, die wie Phoenix aus der Asche stärker und strahlender wieder aufersteht als zuvor und ein neues Abenteuer antritt.

A propos Geschichte: Ich gehe jetzt zum Café Merci hinüber und trinke einen Kaffee mit einem großen Stück Käsekuchen. Der ist dort nämlich phantastisch. Merci.

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