Warum Unternehmen den Umgang mit Social Media jetzt neu lernen sollten


Die Social Media-Landschaft verändert sich massiv. Zum einen wird zunehmende Sensibilisierung der Menschen für den Wert der Privatsphäre, die im Internet durch die gefühlt steigende Zahl der Datenlecks zunehmend ausser Kontrolle gerät, mittelfristig für einen vorsichtigeren Umgang mit Social Media führen. Verstärkt wird der Veränderungsdruck auf die Social Networks selbst außerdem durch den steigenden wirtschaftlichen Druck: Facebook & Co sollen jetzt endlich Geld verdienen, so verlangen es ihre Shareholder und Investoren.

Das führt dazu, dass die einstmals durch ihre kostenlosen Reichweiten so sozial anmutenden Social Media Companies  immer mehr zu „Pay-to-Play Channels“ werden. Eine neue Situation für Menschen und Unternehmen, die ein konstruktives Umdenken im Umgang mit Social Media erfordert.

Facebook hat nach dem Börsengang seinen Newsfeed Algorithmus geändert und es seinen Business-Kunden damit schwerer gemacht, organische Reichweite zu generieren. Wollen Unternehmen bei der Platzierung im Newsfeed ihrer Follower aufsteigen, um wieder auf die frühere Reichweite zu kommen, sollen sie dafür Geld zahlen. Facebooks neue Geschäftsstrategie gefiel dem US-Unternehmen „Eat24“ ganz und gar nicht. Eat24 kündigte dem Netzwerk patzig in einem öffentlichen Brief die Freundschaft: „Du hast uns angelogen und gesagt, dass du ein soziales Netzwerk seist“, heißt es in dem Brief. „Aber du bist überhaupt kein soziales Netzwerk.“ In der Tat: Für die ohnehin schon maue Zufriedenheit der Marketing-Verantwortlichen mit dem Wertschöpfungsbeitrag ihrer Social Media Aktivitäten auf Facebook (siehe folgende Grafik) war dieser Schritt sicher nicht weiter förderlich,

Zufriedenheit der Manager mit Social Networks

Der Monetarisierungsdruck auf Twitter & Co zeigt Wirkung.

Auch Twitter setzt nun konsequent auf Werbung als Einnahmequelle. Denn auch der Kurznachrichtendienst steht als börsennotiertes Unternehmen zunehmend unter Monetarisierungsdruck. Twitter hat im vergangenen Jahr 476 Millionen Euro Verlust gemacht – den Großteil davon im letzten Quartal 2013. Von Oktober bis Dezember verlor der Kurznachrichtendienst allein 377 Millionen Euro. Die Reaktion der Anleger folgte prompt: Die Twitter-Aktie fiel an der Wall Street zunächst um elf Prozent. 

Bei Google+ fügte man Ads ein, blieb aber offensichtlich dennoch unter den wirtschaftlichen Erwartungen. In diesen Tagen sorgt der völlig überraschende Abgang des Google+ Topmanagers Vic Gundotra für Spekulationen über ein nahes Ende oder zumindest eine Umstrukturierung des wirtschaftlich erfolglosen „Netzwerks-Zombies„.

Tumblers Versuche im letzten Jahr, Werbung einzuführen, waren zunächst wenig erfolgreich und wurden mit konsequenter Flucht seiner User bestraft.

Social Media Shootingstar snapchat experimentiert angeblich mit nativem Advertising. Der Fotosharing-Shootingstar unter den Networks hat 3.500$ pro Sekunde an Wert verloren, seit er das Übernahmeangebot von Google Ende 2013 ausgeschlagen hat.

Auch die anderen Networks experimentieren. Pinterest hat promoted Pins eingeführt. Instagram startete mit einem Test von Native Ads im Stream. Und Foursquare hat eine Self Serve Ad Platform für kleine Unternehmen eingeführt.

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Social Media Companies setzen immer mehr auf Content und Native Ads

Es ist eine Entwicklung, die – verbunden mit dem Bedürfnis nach mehr Privatheit im Umgang mit den persönlichen Daten – für ein Fremdeln der Menschen mit ihren vertrauten, „störungsfreien“ und damit geradezu wahrhaftig „sozial anmutenden“ Medien gesorgt hat. Für Facebook äussert sich das z.B. in einer deutlichen Abnahme des Wachstums der aktiven User in den entwickelten Märken USA und Europa.

Die Social Media Unternehmen reagieren: Mit Native Advertising Formaten mit relevantem Content wollen sie jetzt zunehmend dafür sorgen, dass die bezahlte Werbung die Menschen weniger stört, sondern vielmehr als eine willkommene Abwechslung und Bereicherung wahrgenommen wird.

Das setzt natürlich voraus, dass auch die werbetreibenden Unternehmen bei der Konzeption ihrer Marketingaktivitäten mehr in nutzwertigem Inhalten denn klassischer Pushwerbung denken, sonst stört auch die Native Ad und bleibt ein hohles Versprechen. In Deutschland scheint diese Denke in den Marketingabteilungen aber noch wenig verbreitet.

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Unternehmen müssen jetzt endlich lernen, produktiver mit Social Medien umzugehen

Das oben geschilderte Verhalten von Eat24 kann man dagegen wohl auch als kindisch und naiv bezeichnen. Denn auch bei Eat24 wird man Kunden, die ihre Pizza nicht bezahlen wollen, wohl eher ungern beliefern. Statt sich über die notwendigen Monetarisierungsbemühungen ihrer Geschäftspartner zu beschweren, sind Unternehmen und Marketingverantwortliche jetzt ernsthaft gefordert, ihre Nutzung von Social Media (oft mit „Heute ist Montag, wir wünschen Euch eine sonnige Woche.“ ausreichend beschrieben) zu überdenken und sich auf die Suche nach wirklichen Mehrwerten und mehr Relevanz für ihr Angebot zu machen.

Das bedeutet, den eigenen Kunden noch besser zuzuhören, um die Möglichkeiten der Co-Kreation durch Follower nicht nur für semi-lustige Werbekampagnen zu nutzen: aggregierte Daten über die Präferenzen und das Verhalten kleiner oder großer Kundengruppen können helfen, die eigenen Produkte und Services transparent und zeitnah zu verbessern. Nur durch diese unmittelbare und offen kommunizierte Reziprozität – Daten gegen echten Mehrwert – kann bei den Menschen wieder mehr Akzeptanz und Verständnis für die Datensammelwut der großen Unternehmen entstehen.

Ebenso kann schon bei der Produktentwicklung darüber nachgedacht werden, Social Media konstruktiv in das Produkt selbst mit einzubeziehen.  Der Twitter/Comcast Deal wird z.B. dazu führen, dass der TV-Kunde zukünftig den Kanal an seinem Fernsehgerät mit einem einfachen Klick auf einen Tweet wechselt, den er auf seinem im Second Screen geöffnet hat.

Auch der Online-Händler Amazon tut sich in diesen Tagen mit Twitter zusammen, um seinen US-Kunden beim Kurznachrichten-Dienst den Einkauf zu ermöglichen. Bei Tweets mit dem Link zu einem Artikel bei Amazon genügt es jetzt, eine Antwort mit dem Text „#AmazonCart“ zu senden, damit er zum Einkaufskorb hinzugefügt wird (via Handelsblatt).

Das alles erfordert natürlich ein echtes und tiefes Verständnis für neue relevante Nutzungszusammenhänge und Bedürfnisse der eigenen Kunden – und da fängt das Umdenken für viele Unternehmen schon an.

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