Was ist der Unterschied zwischen #Content Marketing und #Werbung?

Donnerstalk„Wo ist denn jetzt der Unterschied zu früher?“ „Doch nur alter Wein in neuen Schläuchen?“ „Am Ende ist es doch nur Werbung.“ Das waren kritisch diskutierte Fragen am „Donnerstalk“ zum Thema „Beyond Content“ im Coworkingspace „Heimathafen Wiesbaden“, zu dem ich einen Vortrag hielt. Tatsächlich: Viele Agenturen und Unternehmen sind auf den Content Marketing Zug aufgesprungen und verkaufen Werbetexten von Produktbotschaften jetzt als Content Marketing. Die Verunsicherung bei Interessierten und Kunden ist die offensichtliche Folge.

Dabei gibt es klare Unterschiede zwischen Content Marketing und Werbung. Die Frage ist aber tatsächlich vielschichtig und ich möchte versuchen, dem ein oder der anderen hier noch eine ausführlichere Antwort zu geben.

Content Marketing ist ein Revival traditioneller Marketingwerte – allerdings in einem neuen, dem digitalen Zeitalter

„Marketing wurde in den letzten Jahrzehnten immer mehr mit Sales verwechselt“, konstatierte vor einigen Jahren Philip Kotler, einer der prägenden Experten des Marketings. Und plädiert mit seiner Definition für eine Rückkehr des Wertschöpfungsgedankens ins Marketing:

„Marketing is the science and art of exploring, creating, and delivering value to satisfy the needs of a target market – at a profit.“  (Kottler)

Vergleicht man diese Definition mit der Content Marketing Definiition vom Content Marketing Institut , fallen Parallelen auf:

„Content marketing is the marketing and business process for creating and distributing relevant and valuable content to attract, acquire, and engage a clearly defined and understood target audience – with the objective of driving profitable customer action.“ (CMI)

Wertschöpfung und Bedürfnisorientierung als traditionelle und noch immer gültige Marketingwerte definieren das, WAS Marketing leisten soll. Und am Ende soll es einen ROI geben. Allerdings zeigen die beiden Definitionen auch essentielle Unterschiede im WIE das erreicht werden soll auf – geschuldet durch die Digitalisierung von Medien und Kommunikation. Marketing hat sich in den letzten 5 Jahren mehr verändert als in den 50 Jahren zuvor.

Unterschied #1: Content wird gewissermassen ein eigenständiges Produkt mit eigenem Marketing & Wertschöpfungsprozess

Eine sicher steile Forderung, die aber klar macht, dass sich die Erstellung von Content nicht mehr mit dem vierten Marketing „P“ (Promotion = Werbung) Kotlers beschreiben läßt. Die Content Erstellung wird ein zusätzlicher Bestandteil des Marketing- und Wertschöpfungs-Prozesses. Neben der Herstellung eines Produktes, seiner Distribution und Bewerbung (Product, Price, Place, Promotion) geht es beim Content Marketing um die Erstellung von Inhalten als neues, eigenständiges Angebot über alle „Disziplinen“ hinweg: Unternehmen produzieren Content für ihre Stakeholder, so wie sie auch ihre Produkte und Dienstleistungen produzieren: mit einem besonderen Nutzen – natürlich im Kontext ihrer spezifischen Marken und Kompetenzen. Daher wird im Zusammenhang mit Content Marketing auch viel darüber gesprochen, dass Unternehmen/Marken selbst zu Medien werden. Mit dem Ziel, profitables Business im eigentlichen Kerngeschäft zu befeuern, nicht als Selbstzweck.

Hier bekannte deutschsprachige Beispiele, die diesen zugegebenermaßen sehr konsequenten Schritt gegangen sind.

    • Red Bull ist inzwischen zum profitablen Mediahaus mit einem eigenen Businessmodell geworden und bietet „liquid adrenalin“ auf allen und für alle Kanäle.

Damit ist Redbull eigentlich schon kein gutes Beispiel für Marketing durch Storytelling, sondern für Business durch Storydoing.

Content Marketing wird damit zum festen Bestandteil der Markenführung. Mit Content können sich die Marken im Wettbewerb positionieren und sich attraktiv für ihre Stakeholder aufstellen. Diesen oben genannten Fällen ist tatsächlich gemeinsam, dass Content Marketing auch eine eigene bzw. neu organisierte „redaktionelle Supplychain, Marketing-Organisation bzw. Produktion“ bekommen hat. Damit tun sich die meisten Unternehmen schwer, denn das verlangt Investments in etwas, dessen ROI, wie wir noch sehen werden, eher nachhaltig wirkt. Diese Unternehmen haben den Aufwand auf sich genommen, da sie die Notwendigkeit des nachhaltigen Engagements ihrer Zielgruppe schnell genug erkannt haben.

Unterschied #2: Aufmerksamkeit und Reichweite durch „Engagement“ statt „Delivery“

Hinter den Aktivitäten von Redbull und Schwarzkopf steht ein längst fälliger Paradigmenwechsel, den wir durch Digitalisierung und Social Media gelernt haben: Reichweite muss immer teuerer durch Media-Budget erkauft werden. Denn im digitalen Zeitalter rollen Informationen von allen Seiten wie ein Walze über die Stakeholder hinweg, Informationsoverflow ist die Folge.

Inhalte bekommen aber auch dann die Aufmerksamkeit der überforderten Adressaten und finden den Weg über Social Media in deren Peergroup, wenn sie für diese einen konkreten Nutzen haben (merkfähig mit vier FFFF zu beschreiben: die Inhalte machen „Fun“/Spass, sie bieten zeitliches oder monetäres „Fortune“/Vermögen, helfen den eigenen „Fame“/Ruhm bzw Erfolg aufzubauen, oder bieten Chancen des „Fulfillment“/Selbstverwirklichung). Die Inhalte sollten dabei so durchdacht und auf die Stakeholder abgestimmt sein,  dass diese theoretisch sogar bereit wären dafür zu bezahlen. Ein harter Maßstab, der für Werbung nicht (oft) erreicht wird.

Die Telekom setzt so mit der aktuellen Mittelstandsoffensive "Die Macher" auf redaktionellen Mehrwert für mittelständische Unternehmen.
Die Telekom setzt mit dem Newsportal „Die Macher“ auf redaktionellen Mehrwert für mittelständische Unternehmen.

Unterschied #3: Werbung ist manchmal wertvoller Content. Aber Content Marketing ist keine Werbung.

Ist der Supergeil-Spot von Edeka nun Werbung oder Content? Ist der Olympus-Kurzfilm vom geschätzten Mittalker Chris Wilfer von WantedContent nun Content oder nur ein TV-Spot fürs Internet?

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=m9Et7UQh1tg&w=560&h=315]

Die Übergänge sind da fließend. Beiden Filmen ist sicher gemein, dass sie „Fun“ bereiten und auch Ausweisfunktion haben: durch das Teilen als etwas Ungesehenes geben sie dem eigenen Profil/der eigenen „Marke“ in der Community „Fame“. Entsprechend hoch ist das Engagement. Beiden Filmen ist ebenfalls gemein, dass sie nicht das Produkt in den Mittelpunkt stellen. Ein wichtiges Kriterium für „Content“. Ein unterbrechender TV-Spot mit Produktbeschreibung und Call-to-Action ist dagegen sicher kein Content, sondern Promotion und Werbung.

Unterschied #4: Reputation durch Übereinstimmung – mit einigen, nicht mehr allen.

Ein Unternehmen kann Content mit Wert per Definition nur für eine spitze, gut verstandene Zielgruppe anbieten. Es geht um 1 to 1 (to Many) -Kommunikation, nicht mehr um 1-to-Many wie bei klassischer Werbung. Die Stakeholder einer Marke zeichnen sich nämlich durch die Übereinstimmung in bestimmten Werten und Motivationen aus: eher Leistung oder Kreativität, Familie oder Rebellion, Bewahren oder neues Entdecken?  Das lehrt die junge Wissenschaft der Neuropsychologie. Und genau dafür gilt es ausführliche Forschung im Content Marketing und Strategie zu betreiben, um z.B. zu verstehen, welche gemeinsamen Werte die Menschen mit ihnen teilen, ihnen etwas bedeuten, oder welche ihrer gemeinsamen inneren Konflikte und Probleme die Marke mit ihrem Inhalt auflösen kann.

Und nur wenn das Unternehmen mit seiner Mission und Haltung selbst zu diesen gleichen Werten steht, sie authentisch vertritt und nachhaltig kommuniziert, bekommt die Marke wiederum die Reputation und motivationale Schubkraft, von der sich Menschen „engagen“/fesseln lassen und sich damit freiwillig „ausweisen“ -durch Nutzung des Produktes oder z.B. durch das „Reinziehen“ der Botschaften in den eigenen Social-Media-Newstream. Nur dann werden Marken-Botschaften viral und erreichen Reichweite unter Gleichgesinnten.

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=XpaOjMXyJGk&w=560&h=315]

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=KrGySDMsYXQ&w=560&h=315]

Dove versteht Frauen und ihre Konflikte, entlastet seine Zielgruppe mit dieser Versuchsdokumentation hochemotional vom propagierten Schönheitsideal der Branche. Das Dove-Video wirkte sehr lange und wurde getragen von Konversationen in Community-Clustern rund um die offensichtlich insightvolle, relevante Wertediskussion um die “wahre“ Schönheit einer Frau.

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=cBC-pRFt9OM&w=560&h=315]

Honeymade steht zur Familie in jeder Konstellation und verteidigt diese Werte auch im Shitsturm. Authentisch und konsequent grenzt die Marke ihre Zielgruppe ab: die Tolerant-offen-modernen sind es, die Traditionell-bewahrend-konservativen Trolle werden mit Charme ausgeschlossen.

Unterschied #5: ROI durch nachhaltige Content-Einbindung in den Geschäftsprozess statt durch Gestaltung kurzfristiger Werbekampagnen

Tatsächlich besitzt Content Marketing keine kurzfristige Impulskraft, wie man sie von der Werbung erwartet. Heute der TV-Spot, morgen der Absatz am POS, so funktioniert Content Marketing nicht – und das macht seine Durchsetzung in am kurzfristigen Erfolg orientierten Unternehmen auch schwer. Aber Content Marketing ist m.E. kein Selbstzweck. Content Marketing kann viel besser als Werbung in den Geschäftsprozess integriert werden und dann nachhaltig auf den ROI wirken. Durch die Interaktion der Marke mit ihrer Zielgruppe lernt das Unternehmen viel über deren Interessen und Bedürfnisse: Was ihr wichtig ist, für welche Werte sie einsteht, was sie motiviert, wann und wo in welchem Kontext wichtig ist. Und es kann darauf z.B. seine Produktentwicklung und Kommunikationsplanung aufsetzen.

Tom Ramsden, Global Brand Marketing Director adidas formuliert die eigenen, erfolgreichen Aktivitäten rund um die WM 2014 so:

„We didn’t do the boom and bust of the ad campaign and now we are seeing the pay off. The legacy of the World Cup for us will be the followers we have built and continuing the conversation with them.“

Brazuca Follower WM2014
Reichweite des adidas twitter Accounts für den Brazuca-Ball während der WM 2014

Eplus generiert auf diese Art und Weise auf dem neuen, eigenen ungebrandeten Onlinemagazin Curved bei der Interaktion mit mobilen Lifestylern Daten und Wissen: Durch die Resonanz auf die Artikel zu Samsung, Apple & Co erfährt Eplus, welche neuen, anstehenden mobilen Gadgets diese Menschen besonders interessieren. Diese Gadgets kann Eplus in neuen Produktbündeln anbieten (z.B. Tarif, iphone mit Headup-Dispaly von Garmin), diese recht konkurrenzlos verkaufen und schwimmt damit im Blue Ocean -statt sich im Preiskampf um Flatrates mit dem Wettbewerber im Red Ocean aufzureiben.

Curved sammelt Reaktionen auf Inhalte, gestaltet neue Produkte und der Vertrieb profitiert.
Curved sammelt Reaktionen auf Inhalte, gestaltet neue Produkte und der Vertrieb profitiert.

Ergänzende Schlußfolgerungen:

  • Content Marketing ist digitale Markenführung durch expliziten Nutzen und implizite Übereinstimmung von Motiven und Emotionen zwischen Marke und ihren Stakeholdern – mit nachhaltigem ROI.
  • Content Marketing braucht neue Qualifikationen: Liebe zu Zahlen, Passion für Daten und Leidenschaft für Kreation. Das kann auch ein traditioneller Marketeer lernen. Denn er bringt das Marken-Know How mit, das im Content Marketing gebraucht wird.
  • Content Marketing ist dabei nicht nur eine Marketing Disziplin, sondern verändert Unternehmen und Agenturen. Es darf keine Silowände mehr geben zwischen Kreativen, Daten und Kanälen…
  • Content Marketing ist Change Management und Innovationstreiber. Es gehört daher in die Chefetagen und auch die Forschungs- & Entwicklungsabteilung

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