Warum die Diskussion über „Online oder Klassik“ im Marketing sowas von 90er ist

Shibuya Crossing

Vor kurzem fand angestoßen durch Mr. Media-Blogger Thomas Koch eine durchaus bemerkenswerte Diskussion über Klassik versus Online statt. Thomas Koch konstatiert in seinem Blog: „Online-Werbung funktioniert nicht.“ und verdammt gerade Banner ins Werbenirvana. Man solle sich bei all dem digitalen Hype wieder der Rolle der klassischen Medien klar machen. Jan Steinbach kritisiert ihn in seinem Kommentar: Störende Werbung sei nie effizient gewesen. „Jetzt aber das Heil wieder in den klassischen Werbekanälen zu suchen, ist ja so, als wollte man die Vogelgrippe mit der Schweinepest kurieren.“

Die Diskussion um Klassik oder Digital ist dabei wirklich nicht neu. Die Diskussion um die Wirkung von Bannern verstellt allerdings den Blick auf das wahre Problem.


Auf der dmexco 2013 war es Andrew Bosworth (VP Advertising Facebook), der am Ende seines Vortrags seinen Eindruck von der deutschen Lead-Messe für digitales Marketing spitz kommentierte: “Die Ausstellung ist irre groß, es gibt unglaublich viele Aussteller hier. Ich glaube, im Silicon Valley muss niemand mehr so viel Überzeugungsarbeit leisten, Geld für Digitales Marketing auszugeben.”

Thomas Strerath lieferte auf der gleichen Messe aber genau das Argument, warum diese teure Überzeugungsarbeit der Aussteller rund um Targeting, Automation und Realtime-Bidding bei Experten wie Mr. Media trotzdem nicht funktioniert: „Marketing bedeutet eben Mehrwert zu schaffen, und nicht, wie man hier auf den Ständen den Eindruck erweckt, mit möglichst billigen Maßnahmen Produkte zu verkaufen.“

Die Rückbesinnung des Marketings auf das Schaffen eines Mehrwerts für den Kunden ist der tatsächliche Kern der Diskussion. Denn Marketing, digital oder klassisch gestaltet, funktioniert heute nicht mehr, wenn es seine Relevanz und damit seine Berechtigung verloren hat. Selbst wenn Banner in Echtzeit getargetet, eingepreist und gebucht werden, treffen sie die Menschen selten in der richtigen Verfassung und sind dann auch noch inhaltlich so pointiert, dass sie ihrer „Zielgruppe“ wirklich weiterhelfen. Da hat Koch recht.

Jay Baer, Autor des Content Marketing Buchs „Youtility“ stellt daher eine übergreifende Forderung: „Marketing sollte so hilfreich sein, dass Menschen sogar bereit wären, dafür zu bezahlen.“ Und er macht dabei wohlgemerkt keinen Unterschied zwischen digital oder analog.

Die Messlatte für alle Marketingverantwortlichen ist damit ein Stück höher gelegt worden. Denn Menschen haben gelernt, zwischen relevant und unwichtig zu unterscheiden, manchmal in Sekundenschnelle. Und die geheimnisvollen Algorithmen von Facebook oder die Penguins, Pandas oder Hummingbirds von Google helfen ihnen beim Sortieren. Damit hat die Digitalisierung weitreichende Paradigmenwechsel angestoßen, die ein Umdenken verlangen.

1. Teilen statt Schützen: Es geht um das Teilen von für Menschen nützlichen Inhalten und Wissen – statt beides wie jahrzehntelang gelernt hinter den Firewalls von PR, Marketing oder Produktentwicklung zu verstecken. Diese Erkenntnis hat sich erst in wenigen deutschen Unternehmen durchgesetzt.
2. Anreichern statt Reduzieren: Es geht um das Anreichern des Marketings mit wertvollen, unterhaltenden, nützlichen Inhalten, statt es auf den einen Produkt-USP zu reduzieren. So erarbeiten sich Marken für Menschen wieder eine Bedeutung und das bringt beide zusammen.
3. Haltung statt Produkt: Dabei kommt der Haltung des Unternehmens und der Mission einer Marke eine neue, wichtige Bedeutung zu, da sie in den Maßnahmen spürbar wird und die Bedeutung der Marke relevant macht. 

Es geht dabei immer um Offenheit, um Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit. Die Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der Menschen ist dafür  essentiell. Aber: Es kommt nicht mehr nur darauf an, Inhalte bereit zu halten, die der Kunde sucht. Sondern es gilt, diese genau in dem Moment zum Kunden zu bringen, in dem er sie braucht. Denn der Kunde bewegt dafür online immer weniger die von Jan Steinbach zitierte Maus, sondern er bewegt sich selbst: er ist dank digitaler Technologien mobil geworden. Der Path to Purchase z.B. ist daher schon lange nicht mehr linear, sondern dreht sich eher konfus um den Menschen. Und schon sind wir in der digitalen Welt des Marketings, die nichts mit Online-Bannern zu tun hat, sondern mit digitalen Endgeräten, digitalen Technologien, digitalen Medien – und eben entsprechend abrufbaren Inhalten.

Pauschal Online mit Digital gleichzusetzen und zu sagen, es funktioniere nicht, ist daher nicht richtig. Organisatorisch sind viele Abteilungs-Silos der Unternehmen nur noch nicht so aufgestellt, diese Paradigmenwechsel gemeinsam zu verstehen und konsolidiert mit inhaltlichem und technischem Verständnis anzugehen. Ebenso wenig sind es die Gewerke der Agenturen oder gar ihre Instrumente wie das Realtimebidding. Daran können wir aber arbeiten.

Fazit: Es geht im Marketing nicht um um Klassik oder Online. Es geht um den Menschen, um eine gemeinsame Stoßrichtung aller Gewerke und Abteilungen und vor allem um mehr Relevanz,…also um Mehrwert für die Menschen, die wir am Ende für unsere Unternehmen, Produkte oder Dienstleistungen interessieren und begeistern möchten.
(Autoren: Andreas Berens, Content Marketing Strategist; Wolf Ströhlein, Sales Consultant | relevanCCe)

2 Gedanken zu „Warum die Diskussion über „Online oder Klassik“ im Marketing sowas von 90er ist“

  1. Hallo Herr Berens,
    Online- oder Internet-Marketing wird dann akzeptiert werden, wenn es messbare Ergebnisse liefern kann. Warum sollen Werbetreibende Gewohntes aufgeben, wenn die Digitalisierung keinen Nutzen bringen. Ob die Online-Werbung unbedingt besser ist als die klassische Werbung, vermag ich nicht zu beurteilen. Das Wurfsendungen in Papierkörben landen, Massen-Emails vom Spam-Filter abgefangen und TV-Spots übersprungen werden, ist allgemein bekannt.

    Das Internet hingegen unterstützt interaktive Kommunikation und digitale Dialoge im Sinne der von Ihnen angesprochenen Offenheit, Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit. Insofern ist das Marketinggeschäft schwieriger geworden – zum Vorteil des Käufers. Wer Marketingstrategien wie z.B. Inbound und Content Marketing richtig einsetzt, wird neue Kunden gewinnen und Mehrwerte schaffen. Klassik und Online werden sich im Marketing-Mix vereinen. Spannend ist, wie sich das Verhältnis im Marketingbudget veränder wird.

    Mit freundlichen Grüßen
    Klaus Grote
    KDG Management GmbH

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  2. Hallo Herr Grote, herzlichen Dank für Ihren ausführlichen Kommentar! Wo Offenheit, Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit für Schwierigkeiten sorgen, wird diese Entwicklung hoffentlich manchen zum Umdenken bringen! Viele Grüße Andreas Berens

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