#Jerry Seinfeld packt die Peitsche aus: „Ich liebe Werbung, denn ich liebe Lügen.“ Autsch. # …

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„Ich liebe Werbung, denn ich liebe Lügen.“

Knackiger und selbstironischer kann man als Werbetestimonial Werbung wohl nicht in die Pfanne hauen. Sich selbst nach diesem Auftritt Jerry Seinfelds auf der Clio Award Verleihung letzte Woche noch mit Stolz als Werber zu bezeichnen, fällt mir echt schwer. Denn während das lauschende Publikum – bestehend aus eben diesen Werbern und ihren Auftraggebern – wohl eher masochistisch veranlagt seiner Rede frenetischen Applaus klatscht, hat sein Sarkasmus einen bitteren Geschmack. 

Seinfelds Abrechnung mit seinen Auftragebern zeigt: Werbung und Marketing stecken schon lange in einer Vertrauenskrise. „Ich denke, sein Leben damit zu verbringen, hart arbeitenden Menschen das Geld mit nutzlosen, qualitativ schlechten und falsch dargestellten Produkten und Diensten aus den Taschen zu ziehen, ist eine exzellente Verwendung der eigenen Energie.“ BAM!

„Soulful Materialism“. Eine feine Spitze.

Ok, Herr Seinfeld mag zur Überspitzung neigen und so ganz neu ist der Vorwurf gegen Werbung ja nicht. Und sicher ist: Es gibt gute Werbung, die nicht lügt, und nicht jedes Produkt ist per se schlecht. Aber: seine Rede ist eine feine Gelegenheit zur selbstkritischen Frage: Haben sich Werbung und Marketing in Zeiten von Wirtschafts- und Finanzkrisen, kürzeren Planungshorizonten und knapperen Budgets nicht tatsächlich immer stärker im „Verkaufen“ verloren, um kurzfristig optimiert gute Zahlen für die Stakeholder zu liefern, statt nach echten, nachhaltigen Mehrwerten zu forschen, für die die Menschen bereit sind zu zahlen – so wie Marketing-Ikone Philip Kotler in seiner Definition von Marketing fordert? Seinfeld nennt dieses Verhalten „soulful materialism“. Eine feine Spitze.

Wir vermeiden inzwischen selber das böse Wort „Werbung“, reden euphemistisch lieber von „Kommunikation“, und davon, dass wir gelernt haben, den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen. Und alles besser zu machen als früher. Deshalb können wir auch wieder über Seinfeld lachen: Wir sind es ja gar nicht, die er meint. Sondern die Kollegen von 1991, die sich die Clios nach geplatzter Veranstaltung auf der Bühne unter den Nagel gerissen haben. Wir sind Werbung 2.0. Gut gebrüllt, Löwen.

Schaut man sich an, was unter diesem „neuen“ Anspruch kommunikativ alles erscheint, wird einem schnell klar: nur neue Worte in Werbung oder Kommunikation zu bemühen, reicht noch nicht. Das „böse“ Internet mit all seinen interaktiven Kanälen macht Lügen immer kürzere Beine, denn es sorgt für Transparenz. Und wer einmal lügt – oder gelogen hat, dem glaubt man nicht (mehr). Das haben wir schon als Kinder gelernt. Unternehmen wie Nestlé, Otto, Deutsche Bahn, Henkel und Co haben das an eigenen Marken erfahren müssen. Damit wird es jeden Tag schwerer, den Weg in die Herzen der Menschen zu finden.

Wertvolle Beziehungen durch Zuhören und Empathie

Menschen sollten gern mit einer Marke zusammen sein. Richtig. Aber die Frage bleibt: Warum sollten sie eine Beziehung zu einer nur über sich selbst redenden Marke aufbauen, wenn es ihnen schon schwer genug fällt, mit den eigenen Freunden eine echte Beziehung über Facebook-Likes hinauszuführen?

Nun, statt direkt wieder den nächsten TV Spot in Auftrag zu geben, die nächste Website zu programmieren oder die nächste PR-Meldung rauszuhauen, könnten wir – Werber und Marketingverantwortliche –  ja einfach erst einmal den Mund halten und den Menschen zuhören, um eine Antwort auf diese Warum-Frage zu finden. Denn Menschen sind gar nicht so „dumm“, wie Seinfeld sagt, sie haben längst neue Fähigkeiten, wichtiges von unwichtigem zu unterscheiden, manchmal in Sekunden, und sie gestalten ihr Leben realistisch.

Zuhören zeichnet echte Beziehungen aus, macht erst beziehungsfähig und die Beziehung reziprok, gegenseitig bedeutend und wertvoll. Schließlich erwarten wir auch genau das von den Menschen: zuzuhören, wenn wir von unseren Marken und Unternehmen erzählen. Gepaart mit Empathie, sprich Einfühlungsvermögen, lernt man schließlich erst beim Zuhören – wohlgemerkt jenseits von Storyboadtests und Produkttests – welche Geschichten den einzelnen Menschen bewegen. Und warum. Und was sie von Marken brauchen, um ihre eigenen Lebensgeschichten spannender oder ruhiger oder erfolgreicher zu gestalten.

Und vielleicht lernen wir ja beim Zuhören auch etwas über uns selbst, damit wir uns eines Tages doch wieder mit ein wenig Stolz Werber nennen können.

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