Direct2Consumer – mit Content und Community zum Megatrend

Immer mehr Marken legen mit dem D2C-Geschäftsmodell rasante Erfolgsstorys hin. Dabei ist Direktvertrieb gar nicht neu. Start-ups, Influencer und Venture Capitalists haben jedoch ein Erfolgsmodell daraus gemacht, aus dem man einiges über modernes Content Marketing und den Umgang mit Communitys lernen kann.


Bett1 verschickt Matratzen und Peloton liefert Hometrainer nach Hause, Harry’s verschickt Rasierklingen gleich im Abo – all diese Unternehmen vertreiben ihre Produkte direkt und ohne Umwege über den Handel an ihre Kunden. Sogar Influencer verkaufen inzwischen eigene Produkte direkt an ihre Community und erfinden sich dabei neu als Consumer-Marken. D2C bedeutet Direct to Consumer. Das Prinzip ist nicht neu. Relativ neu ist allerdings der Einsatz von Content und hohe Investitionen in Social Media.

Instagram? First!

Mit bis ins Detail durchdachten Posts und Storys insbesondere auf Instagram schaffen es diese Marken, tausende potenzielle Kunden zu begeisterten und zu Käufern zu machen. Wie? Zusammen mit ihren Produkten, die sie sogar eigens für den Vertrieb auf Instagram in Look und Form optimieren, verkaufen viele von ihnen einen ganzen Lifestyle mit – meist den der Millennials. In ihren vielen Content-Stücken präsentieren sie nämlich nicht nur ihre überzeugenden, instagramtauglichen Produktdetails, sondern erzählen auch ihre Geschichten hinter der Marke und um sie herum.

Die Marke Glossier, eine 2014 gegründete Kosmetikmarke, ist beispielsweise aus einem Blog hervorgegangen. Die Bloggerin und Unternehmensgründerin Emily Weiss hatte damals das Potenzial des Marktes erkannt und beobachtet: Beauty-Käufer sind immer auf der Suche nach der neuesten, besten Kosmetik und entsprechenden Tipps. Da diese einen zunehmend mobilen Lifestyle pflegen, bedeutete das für die neue Kosmetik-Marke, dass sie ihre Käuferinnen überallhin begleiten muss. Und das nicht nur, wenn die gerade etwas kaufen wollen, sondern auch wenn sie einfach durch ihre Social Media Feeds scrollen, um sich unterwegs ein wenig die Zeit zu vertreiben.

Die Website Into the Gloss.

Glossier nutzt bis heute genau diese Momente, um mit attraktiven Inhalten diese Mobile-First-Käufer konsequent zu erreichen. Über die Post ihres Instagram-Kanals und die ihrer Influencer navigiert die Kultmarke ihre Kundinnen direkt in den eigenen Store – oder erst einmal auf die Website Into the Gloss: Dort verbindet die Marke hochwertige redaktionelle Inhalte mit Produkt-Rezensionen und zahlreichen nützlichen Tipps und Tricks, die schöner machen, aber dabei alles natürlich und mühelos aussehen lassen, so als ob man gar kein Make-up trüge. Eine besondere Content Rubrik der Website trägt den Titel „The Top Shelf“: Frauen, allesamt Superstars, Lichtgestalten aus der Influencer- und Modewelt erlauben hier dem Glossier-Publikum einen ganz besonderen, exklusiven und im Stil unglamorösen Einblick in ihr Leben.

Fotos und Style wirken dabei wie Schnappschüsse und sind damit das genaue Gegenteil vom Highgloss der anderen Beauty-Marken. Oftmals sind die Fotos auch nur Re-Posts von Beiträgen der Mikro-Influencer, sprich Community, mit denen die Marke verstärkt interagiert und kooperiert. Mit ihrem Natürlichkeits-Anspruch kommt die Marke bei der Community gut an.

Von der Website gelangt die Käuferin dann ebenfalls in den eigenen Glossier Store – und eben nicht zum Zwischenhändler Amazon. Glossier behält als D2C-Marke damit die totale Kontrolle: Die exklusiven Inhalte der Website und die User Experience des Shops entfalten eine einzigartige Markenerfahrung, die es eben nur hier gibt. Kunden, die bei ihr landen, können sich gänzlich auf diese besondere Emotionswelt einlassen.

Ein Hometrainer für 2.200 Euro? „Whaat?“

Ein weiteres aktuelles Beispiel für die spannende Kombination von D2C, Content und Community: Was würden Sie tun, wenn jemand versucht, Ihnen ein Spinning-Bike mit einem angedockten Tablet für 2.200 Euro zu verkaufen? Wahrscheinlich… kaufen Sie es nicht. Es gibt mit Sicherheit auch wenige Funktionalitäten, mit denen man ein stationäres Bike noch aufrüsten könnte, um es Ihnen zu diesem Preis schmackhaft zu machen. Ohnehin: Würden Sie so ein teures Monster gern im Wohnzimmer oder wie Sauerbier im dunklen Keller stehen haben? Daher vermarkteten die Hersteller von Laufbändern und Spinning-Bikes ihre Produkte bisher auch nur an Fitnessstudios. Eine direkte Vermarktung gab’s nicht, der Abnehmerkreis war beschränkt.

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Peloton hat das geändert. Das D2C-Unternehmen verkauft genau solche Hometrainer zu diesem sagenhaften Premium-Preis – direkt an Endkunden. Wie? Nun, Power-Instruktoren geben den ambitionierten Käufer*innen des Bikes das Gefühl, mit der Community auf dem Bildschirm verbunden zu sein. Wenn sie sich auf dem Rad kämpfend über das Tablet beugen, nimmt dessen Bildschirm ihr gesamtes Sichtfeld ein und die Musik schwingt durch den ganzen Körper – es ist schwer, sich dem zu entziehen: die Content-Marketing-Kampagne wird zu einer großartigen Kunden-Experience.

Peloton verkauft die hochpreisigen Bikes in eigenen Boutiquen und online, direkt an Millionen Kunden wie geschnitten Brot und skaliert auf diese Weise rasant das Geschäft – zuletzt auch noch gepusht durch das Schließen der Fitness-Studios in der Pandemie.

„You never walk alone“

D2C-Unternehmen wie Glossier und Peloton denken also über Ihr Produkt hinaus, addieren digitale Ecosysteme und Services. Sie nutzen dazu die vielen Facetten des Content– und Social Media–Marketings, um ihren Kunden nicht nur mehr Transparenz, sondern auch Inhalte zu bieten, die das Vertrauen in die Marke und die tiefgreifende Identifikation mit deren Community von Grund auf aufbauen: Informative Artikel und unterhaltende Blogbeiträge, aufwändige und weniger aufwändige Videos, die die Vorteile eines Produkts aufzeigen oder zeigen, wie man es benutzt, oder in denen Markenwerte und Kompetenz zu einer einzigartigen Community Experience verschmelzen. Dazu kommen personalisierte E-Mails, die Menschen helfen, sogar grundsätzliche Probleme zu lösen. Damit bringen die Unternehmen ihre Marke mit Dingen in Verbindung, die größer zu sein scheinen als ihr unerbittliches Streben nach einem überragenden Geschäftsergebnis.

Diese umfassende ganzheitliche Möglichkeit zur „uniquen“, differenzierenden Markenbildung und zum Community-Engagement durch Content und Produkt zugleich ist einer der riesengroßen Vorteile, die der direkte Absatz mit sich bringt. Und die dabei auf den eigenen Präsenzen gewonnen Kundendaten sind pures Geld wert. Sie helfen dem D2C Unternehmen, seine Produkte immer besser an Bedürfnisse seiner Kunden anzupassen und die Performance Marketing Kanäle und ausgeklügelten Content Kampagnen ständig weiter zu optimieren.

Für den Trend, nicht für die Ewigkeit geschaffen

Neben dem Einsatz von Content und Instagram gibt es natürlich noch einige weitere Erfolgsfaktoren, die die neuen D2C Brands erfolgreich machen: Der Einsatz einer schlanken Technologieplattform (z.B. Shopify), schnelles Prototyping und ein einfacher Zugang zu globalen Lieferanten. Und ein konsequenter “mobile first” Ansatz, der für ein lückenloses Einkaufserlebnis sorgt: Aus dem Instagram Feed geht’s entlang der Customer Journey direkt in den Warenkorb des Kunden.

Dazu kommt das in der Start-up Branche notwendige, extrem schnelle Skalieren durch massive Finanzierungsrunden. Diese ebnen den neuen D2Cs den steilen Aufstieg zum Erfolg. Ein großer Teil dieses eingesammelten Geldes fließt nämlich wieder ins Produkt- und Content Marketing, insbesondere Social Media. Und Instagram ist dabei neben klassischer TV-Werbung sicher einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren, um schnell riesige Reichweite zu generieren – und die übrigen Wettbewerber aus dergleichen Nische zu verdrängen.

Das Spannende bei all dem: Oft ist die Lebensdauer dieser neuen Marken gar nicht mehr für die Ewigkeit ausgerichtet, wie man das in der klassischen Marketingwelt mit ihren fixen Markenmodellen erwarten würde. Sondern sie ist von vornherein beschränkt – manchmal sogar nur für einen vorübergehenden Trend auf Instagram, oder TicToc, oder…

Zur Zeit muss sich Glossier übrigens zu Vorwürfen über schlechte Arbeitsbedingungen rechtfertigen. Die Gründerin hat sich entschuldigt, natürlich auf Instagram.

Titelbild: Karsten Winegeart on Unsplash

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